Dienstag, 22. September 2009

Christophs langer und steiniger Weg zur Schule

Nein, damit meine ich nicht die Strecke zwischen unserem Haus und seiner Schule, sondern den beschwerlichen Gang, überhaupt eine Schule zu finden, die ihn aufnimmt.

Im letzten Post hatte ich ja über die Bürokratie und auch die Überforderung einiger hier geschrieben und nun dazu ein klasse Beispiel in chronologischer Reihenfolge:


Gleich nach unserer Ankunft in Ingolstadt haben wir Christoph auf dem Gymnasium als Gastschüler in der 9. Klasse angemeldet. Er sollte da die letzten Tests mitschreiben und diese sollten anstatt einer Aufnahmeprüfung gewertet werden. Wir hatten allerdings von beginn an Zweifel, dass er das schaffen würde, deshalb sagten wir schon bei der Anmeldung, dass es wohl das Beste wäre, wenn er die 9. Klasse wiederholen würde.
Wie schon mal geschrieben, hat er die Tests erwartungsgemäss nicht geschafft, aber zu unserer Überraschung wollte man ihm nicht die Chance geben, das Jahr zu wiederholen, sondern die Schulleitung zweifelte sogar, dass er überhaupt die 8. Klasse schaffen würde.
Damit war er aus dem Gymnasium raus und nächste Station war für uns die Realschule.

Da wir nun etwas verunsichert waren über die wirklich gegenteiligen Aussagen über Christoph, haben wir in den Ferien mit Chris einen Leistungs- und Intelligenztest beim Jugendpsychologen machen lassen.
Wir wollten einfach wissen, was für ihn zu schaffen war. Er hatte bisher immer gute Noten ohne großartig Lernen erzielt, hatte also noch Reserven. Das wurde uns auch immer wieder von seinen bisherigen Lehrern gesagt.

Gleich am ersten Ferientag hatten wir Anmeldetermin in der Realschule und dort haben sich die beiden Rektoren sehr viel Zeit für uns genommen, sich alles von uns angehört und gemeinsam haben wir überlegt, wie es für Chris weitergeht.
Es ist nicht so einfach, da hier die Zeugnisse der (ehemaligen) RMS nicht anerkannt werden.
Überhaupt fanden die Rektoren die Zeugnisse sehr grenzwertig, weniger wegen den Noten, sondern mehr weil da einfach mit Tippex geweisselt und drübergeschrieben wurde.
Nun ja, wir einigten uns, dass Chris an den letzten 3 Ferientagen jeweils in Englisch, Mathe und in Deutsch einen Aufnahmetest schreibt und dann kann er in die 9. Klasse.
Er hat noch Schulbücher mitbekommen, damit er sich noch ein wenig vorbereiten kann.

Kurz darauf hatten wir dann den Termin beim Psychologen für den Test.
Ergebnis: überdurchschnittlich intelligent
So richtig verstand keiner, warum er am Gymnasium keine Chance bekam.

Naja, aber auch mit einem Realschulabschluss kann man was werden, also vorbereiten auf die Tests.
Einiger Stoff aus den Büchern war für ihn völliges Neuland, manchmal wurden Dinge auch nur anders bezeichnet.
Für Mathematik hat er sich nochmals mit einem Freund zusammengesetzt und geübt und dann war es soweit.
Englisch lief ganz gut, aber dann kam Mathe. Chris kam schon mit einem unguten Gefühl heim und meinte nur, das wäre in die Hose gegangen.
Letzten Montag war dann der Deutschtest dran und er war noch nicht mal wieder daheim, klingelte bei mir das Telefon - die Schule war dran.
Die gute Frau getraute sich gar nicht, mir direkt zu sagen, dass er in Mathe eine glatte 6 hatte.
Da habe ich ihr das Wort mal aus dem Munde genommen und sie war ganz froh, dass ich es so gefasst aufnehme.
Sie konnte sich aber trotzdem nicht dazu durchringen, ihn ganz auf der Schule abzulehnen, deshalb haben wir gleich für den Nachmittag ein Treffen in der Schule vereinbart, um eine Lösung zu finden.

Halbe 3 sassen wir dann dort zusammen und erfuhren, dass es aufgrund der ganzen Regeln und Gesetze nicht möglich ist, dass er hier in die Realschule gehen kann. Für die 9. Klasse hat er sich nicht "qualifiziert" und nochmals in die 8. Klasse gehen wäre nicht möglich, das er ja bereits eine 9. Klasse besucht habe und nicht 2 Jahre zurückgestuft werden kann, da wäre er zu alt.
Blieb also nur die Möglichkeit der Hauptschule.
Alles grob zusammengerafft, wird ein überdurchschnittlich intelligentes Kind, welches eigentlich "unbedingt gymnasiumsgeeignet" ist, auf eine Hauptschule geschickt, weil es so in irgendwelchen Gesetzen steht.
Die Frau, mit der wir uns da unterhielten, hat sich dabei wirklich nicht wohl gefühlt, aber es waren nun mal die Regeln, die sie zu befolgen hatte. Sie meinte, sie hätten alle Gesetze hin und hergewälzt und wir wären aber auch ein wirklicher Sonderfall, der in kein bisher da gewesenes Schema passt.
Und genau da haben wir angesetzt. Wenn wir wirklich so ein absoluter Ausnahmefall sind, dann müssen da aber jetzt auch mal Ausnahmen von der Regel gemacht werden. Leider ist niemand per Gesetz verpflichtet, jemandem, der einfach in der vorherigen Schule nicht genug Lehrstoff mitbekommen hat, die nötige Zeit zu geben, eben diesen Stoff nachzuholen.
Und genau um diese Zeit haben wir gebeten.
Zum Glück gibt es doch noch ab und an Menschen, die mit Verstand agieren, denn letztendlich konnte sich die Schulleitung dazu durchringen, Chris in die 8. Klasse aufzunehmen, damit er all den verpassten Stoff in angemessener Zeit nachholen kann.

In mir hätte sich wirklich alles gesträubt, ihn in der Hauptschule anzumelden, es wäre echt Verschwendung gewesen.

Übrigens: Es hätte keiner etwas gesagt, wenn wir ihn jetzt in gar keiner Schule angemeldet hätten. Kein Schulverwaltungsamt wäre uns auf die Pelle gerückt, niemand.
Denn Christoph unterliegt nicht mehr der Schulpflicht, da er bereits 9 Jahre zur Schule gegangen ist. Klasse, nicht?
Ein Junge ohne jeglichen Abschluss, das letzte Zeugnis, was in Deutschland anerkannt wird, stammt aus der 5. Klasse. Und niemanden interessiert es - ausser uns.

Bleibt als Fazit für die 3 Jahre schule in Ghana: Viel Geld für wenig Nutzen.

Aber zum Glück weiss der einfache Steuerzahler nicht, für was seine schwer verdienten Euros verplempert werden.............

long time......



......aber es gibt uns noch ;-)

Die Ferien sind vorbei, leider, aber auch zum Glück.
Das Ausschlafen fehlt schon jetzt, aber es ist auch wieder ruhiger daheim ohne die Kinder.

Der Sommer neigt sich auch dem Ende, und fast auf den Tag genau sind wir jetzt wieder 6 Monate in Deutschland.

Vielleicht ein guter Zeitpunkt, mal eine Zwischenbilanz zu ziehen.
Da es einige Leute in den letzten Monaten vorgezogen haben, alles komplizierter zu machen als es eigentlich nötig gewesen wäre, sind derzeit noch nicht so viele Dinge geklärt, wie wir es eigentlich erhofft hatten.

Dank deutscher Bürokratie und auch massloser Überforderung ergaben sich noch einige Probleme obendrauf zu den eh schon existierenden.

Begleitet von Nervenzusammenbrüchen, schlaflosen Nächten, endlos vielen Tränen haben wir versucht, eins nach den anderen in den Griff zu bekommen.
Kaum hat man etwas geklärt, kommt wieder jemand und schmeisst einem einen fetten Knüppel zwischen die Beine.
Da das alles echt nicht mehr von uns alleine zu bewältigen war, war es an der zeit, Hilfe zu suchen.
Da gibt es einmal Anwälte, die einem einen Teil abnehmen können und leidigen Schriftverkehr erledigen. Es ist schon mal eine Erleichterung, wenn man nur eine Vollmacht unterschreiben muss und letztendlich das Ergebnis serviert bekommt - ohne den nervigen Teil dazwischen.

Ungemein erleichternd ist es auch, sich neue Handynummern zuzulegen und die Nummer einfach für sich zu behalten. Es ist unheimlich leicht, ans Telefon zu gehen, wenn man genau weiss, es ist nur Familie oder ein guter Freund.

Seit August bin ich nun auch regelmässig in psychiatrischer Betreuung.
Dort kann ich mir alles frei erstmal von der Seele reden, denn ich weiss, es kommt kein Unverständnis zurück.
Mit regelmässiger Einnahme von Medikamenten habe ich bis jetzt meine Schlaf- und Essstörungen ganz gut in den Griff bekommen. Ich habe kaum noch Albträume, bin nicht mehr ganz so schreckhaft und sogar zugenommen habe ich wieder.
Okay, irgendwann muss ich wieder runter von den Pillen, aber zur Zeit geniesse ich es erstmal, dass ich mich weniger schnell über einiges aufrege.

So kann man ruhiger, überlegter an gewisse Dinge rangehen und Schritt für Schritt weiterkommen.

Warscheinlich haben wir viel zu lange gezögert, uns Hilfe von aussen zu holen.

Mit dem Wissen von heute hätten wir wohl einiges anders gemacht.
Dann hätten wir uns am 23.03. in Dresden nicht von einem Taxi abholen lassen, sondern von Psychologen und Anwälten...........


Nun gut, jetzt sind wir, wo wir sind und irgendwann muss man ja auch anfangen, nicht nur hier zu wohnen, sondern auch zu leben.

Dazu gehört auch, sich wieder mal rauszugetrauen, unter Menschen zu gehen.
Was ist da geeigneter als Baseball? Nichts.

Chris hatte sich vor den Ferien entschlossen, wieder aktiv mitzuspielen.
Die meisten waren ihm noch bekannt, so wurde er gleich gut aufgenommen.
Jetzt spielt er in der Jugendmannschaft und manchmal in der 3. Mannschaft.



Wir haben auch ganz gerne mal wieder bei einem Spiel zugeschaut und da auch Bekannte wiedergetroffen und Telefonnummern getauscht.


Ob er der Star der nächsten Schülermannschaft wird?



Jetzt geht erst mal die Saison zu Ende, Hallentraining ist für uns eher uninteressant.
Wir hoffen auf einen ruhigen Oktober für uns und freuen uns erst mal auf November, denn eventuell kommt dann endlich unsere April.